Konvoi der Hoffnung 46

Fast alle Vorbereitungen für den 46. Hilfstransport in die Ukraine waren getroffen. Dominik und Isabell richteten das Führerhaus des LKWs ein, das für die bevorstehende Woche als ihr kleines zu Hause diente. Auch für ausreichend Proviant hatten sie gesorgt und so konnte es also losgehen!

Geladen war der LKW mit Hilfsgütern wie Lebensmittel, Haushaltswaren, Holzöfen, Kleidung, Schuhen und Bettdecken. Begleitet von wechselhaftem Wetter aus Nieselregen und Sonnenschein, führte sie ihr Weg vom schönen Schwarzwald, hinauf zur schwäbischen Alb. In einer kleinen Pause bot sich dort die Gelegenheit, die Beine etwas zu vertreten, woraufhin es in Richtung München weiter ging. Vorbei am Chiemsee passierten sie die Landesgrenze Deutschland-Österreich. Mit dem Sonnenuntergang im Rücken, ließen sie den Mondsee rechts liegen und steuerten in Richtung St. Valentin, wo sie im Landzeit-Rasthaus ihr leckeres Fernfahrermenü zum Abend genossen.

Übernachtet haben sie dann etwas weiter in St. Pölten. Am nächsten Morgen war es äußerst neblig und nass. Die Reise wurde fortgesetzt und so fuhr das Paar weiter durch Österreich, bis sie dann nach Ungarn kamen. Gleichzeitig wurde auch das Land flacher und der Himmel lichter. Bei Sonnenschein fuhren Dominik und Isabell dann durch Ungarn und kamen am späten Nachmittag an der Grenze zur Ukraine an. Sie stellten sich dort an einer Schlange von LKWs an, die auch in die Ukraine einreisen wollten.

Der erste Schritt war die Waage auf ungarischer Seite, welche 35,9 Tonnen anzeigte. Dann gelangten die beiden auf den Zollhof, auf dem viele andere LKWs standen und auch warteten. Die meisten Fahrerkabinen waren leer. Als Dominik gemeinsam mit Isabell in das Zollbüro kam, standen wie schon erwartet, die zu den LKWs gehörenden Fahrer – geschätzt 20 Männer. Auch sie warteten darauf, dass ihre Papiere für den Grenzübergang fertiggestellt wurden. Trotz Dominiks Andeuten, dass sie ein Hilfstransport sind, ließen die anderen Fahrer ihn nicht vor, was manchmal jedoch schon der Fall gewesen war. Also stellten sie sich auf eine längere Wartezeit ein. Die meisten anderen unterhielten sich auf ukrainisch. Nach etwa einer dreiviertel Stunde gestikulierte einer der Fahrer in die Richtung von Dominik und Isabell und die beiden verstanden, dass er ihnen Vortritt gewährte. Dankbar über diese freundliche Geste konnte Dominik seine Papiere dann dem Zöllner geben, welcher diese dann überprüfte und ihm zurückgab.

Eilenden Schrittes liefen die beiden zurück zum LKW, setzten sich hinein und verließen nach dem letzten Schritt des Röntgens die ungarische Seite. Die ukrainische Waage zeigte 37 Tonnen an, also mehr als auf der ungarischen Seite – obwohl natürlich nichts zugeladen wurde. Zuversichtlich, dass alles nun schnell von statten geht, liefen das Paar in das ukrainische Zollbüro. Die Schwankungen der beiden Gewichtswerte sollten zu keinem Problem führen. Oft genug gab es ähnliche Abweichungen des Gewichts und trotzdem konnten sie immer ohne Probleme einreisen. Sie gaben ihre Papiere dem Zöllner und warteten auf sein ‚go‘. Sie waren geduldig, aber nun dauerte es ungewöhnlich lange. Sie merkten, dass etwas nicht stimmte, als der Zöllner verwirrt mit jemandem telefonierte. Auf das Telefonat hin betrat eine Frau in Uniform den Raum, in dem der Zöllner saß, der die Papiere bearbeitete. Eine andere Zöllnerin.

Gemeinsam rätselten sie an etwas und blickten dabei immer auf die Papiere. Oder rechneten sie etwas? Dabei sahen sie sehr irritiert aus. Dominik vermutete schon, dass es etwas mit dem Gewicht zu tun haben musste. Endlich sprach die Zöllnerin mit ihm – auf gebrochenem, aber verständlichem deutsch. Es stand fest: Das Problem war das Gewicht. Dominik erklärte ihr, dass das auch bei früheren Transporten kein Problem darstellte und zeigte ihr auch das Foto von der Waagenanzeige, das er auf der ungarischen Seite genau für solche Fälle mit seinem Handy gemacht hatte. Auch mit Slavik, dem Leiter des Jugendhauses in der Ukraine hatte sie telefoniert. Zu Dominiks und Isabells Überraschung kannte er sie schon. Doch leider half es nichts. Die Zöllnerin war zwar sehr freundlich, doch selbst nach einem zweiten Mal Wiegen, bei dem die Waage dann 36,3 Tonnen anzeigte, bestand sie darauf, dass das Problem gelöst werden müsste und der LKW davor nicht in die Ukraine einreisen dürfte. Das bedeutete, dass neue Papiere hermussten. Und das war erst am nächsten Tag möglich.

Slavik bot an, Dominik und Isabell von der Grenze abzuholen, sodass sie zu Hause bei ihm und seiner Frau Tanja übernachten könnten. Das war sehr freundlich von ihm, fanden die beiden und nahmen das Angebot dankbar an. Sie hätten auch an der Grenze bleiben, im LKW übernachten und dort warten können, bis alles Nötige erledigt sein würde. Doch später stellte sich heraus, dass dies die schlechtere Entscheidung gewesen wäre. Dominik informierte Julian über die Situation und dieser versicherte ihm, dass er die neuen Papiere am nächsten Tag an Slavik schicken würde. Also marschierten Dominik und Isabell mit ihrem Gepäck bei sich zu Fuß Richtung Grenzübergang. Ein Soldat begrüßte sie und Dominik erklärte ihm die Situation und zeigte ihm den erforderlichen Zettel, den er für die Personenausreise erhalten hatte. Als wäre es das Normalste der Welt – vielleicht war es das auch – sagte er einfach nur: „Okay.“, hob die Hand und verabschiedete sie mit einem freundlichen, deutschen „Tschuss!“. So verließen die beiden das Grenzgelände. Voller Begeisterung stellten Dominik und Isabell fest, dass Slavik schon dort war und auf sie wartete. Freudig begrüßten sie einander und tauschten sich im Auto über das jüngste Ereignis aus. Noch an diesem Abend besprachen Dominik und Slavik alle Vorgänge für den nächsten Tag. Doch dankbar, dass alles Weitere bis dahin warten konnte, gingen Dominik und Isabell zuversichtlich und in Ruhe schlafen.

Der nächste Tag war nahezu gänzlich bestimmt vom Warten. Slavik hatte die Papiere von Julian erhalten und sie nach Kiew zum Hauptzollamt geschickt, von wo aus genehmigt werden musste, dass die Ware im LKW in das Land kommen darf. Und das hat eben seine Zeit gebraucht. Dominik hatte diese Zeit genutzt, um schonmal ein paar Werkzeuge zum Einladen vorzubereiten, welche die beiden im später leeren LKW wieder nach Deutschland mitgebracht haben. Das waren Werkzeuge, welche für die aktuelle Baustelle – das Haus für Familien mit Waisenkindern – in der Ukraine genutzt wurden und dort nun nicht mehr gebraucht werden. Demgegenüber werden diese Werkzeuge bei einem baldigen Projekt in Rumänien erneut gebraucht.

An eben diesem späten Nachmittag kam dann endlich die Nachricht. Der Lkw mit seiner Ware durfte einreisen! Also ging es für Slavik, Dominik und Isabell los in Richtung Grenze. Slavik wartete außerhalb, für das Paar ging es hinter die Schranke. Nun verlief alles ganz zügig. Im Handumdrehen waren alle erforderlichen Papiere überprüft und ebenso ist auch die Waren rasch kontrolliert worden. Jetzt ging es für Dominik und Isabell im LKW schnurstracks an der Schranke vorbei und sie waren wieder im Land. Das Ziel war nun das Jugendhaus, bei dem die Hilfsgüter etwa eine Stunde später mit tatkräftiger Hilfe der Waisenjungs flott ausgeladen wurde. Zwischenzeitlich war die Dämmerung hereingebrochen, doch nun, als alle Hilfsgüter ausgeladen waren, war es vollständig dunkel und auch eisig kalt. Langsam stellten sich Dominik und Isabell auf einen erneuten Grenzübergang Richtung Heimat ein. Nach herzlichen Verabschiedungen machte sich das Paar also wieder auf den Weg. Mittlerweile war es etwa 22 Uhr deutscher Zeit. Erfreulicherweise ging alles schneller von statten als bei der Einreise. Um Mitternacht befanden sich die beiden schon müde geworden auf der anderen Seite in Ungarn und übernachteten bei der ersten Tankstelle, die sie erreichten.

Nach einem gemächlicheren Morgen und einem gemütlichen Frühstück setzten Dominik und Isabell frisch ausgeruht ihre Heimreise fort. Am Abend speisten sie kurz vor der Grenze ungarisch, woraufhin sie noch nach Österreich einreisten. Umgeben von brummenden Kühlanhänger anderer LKWs, übernachteten die beiden auf einem Rastplatz in Österreich bei Göttlesbrunn. Nach einer guten Nacht ging es weiter. Sie reisten nach Deutschland ein und fuhren noch am selben Tag bis nach Hause. Um halb elf an diesem Abend kam das Paar dankbar für den gelungenen Hilfstransport in Spielberg an. Trotz einiger Herausforderungen konnten die Hilfsgüter am richtigen Ort ankommen und werden vielen Menschen Hilfe geben.