„Es war wohl bis jetzt die beste Woche meines Lebens, ich habe noch nie so intensiv erlebt und gelebt und so gute Gespräche geführt…“ berichtet ein Teilnehmer des Einsatzes. Doch von vorne:
Im Januar waren wir wieder mit 20 jungen Leuten und einem Lkw voller Hilfsgüter zu einem Einsatz im Jugendhaus Ushgorod. Die Anreise verlief gut auf schneefreien Straße, Christoph und ich starteten mit dem Lkw einen Tag vor der Gruppe und so trafen wir uns am Abend des 2. Januars alle an der ukrainischen Grenze, welche wir auch ohne größere Probleme und recht zügig überqueren konnten, denn es war kaum was los.
Am nächsten Tag war Slawik, der Leiter des Jugendhauses, damit beschäftigt, den Lkw durch den Zoll zu bringen. Stempel hier, Stempel dort, Deklarationen ausfüllen, Genehmigungen und Zertifikate. Währenddessen schauten wir mit der Gruppe auf einem großen Spaziergang in eisiger Kälte die Stadt Ushgorod an, die alte Synagoge, die verschiedenen Kirchen, die längste Lindenallee Europas, sahen aber auch einige Not. Nachmittags besuchten wir den Bazar, wo man wirklich alles kaufen kann – Lebensmittel, Möbel, Kleidung oder Werkzeug – alles im Verhältnis zum Einkommen jedoch recht teuer.
Nach dem Abendessen dann endlich der erlösende Anruf: „Julian, kommen Zoll!“ Auf dem Zollhof wurde dann bei Schneesturm die Ladung kontrolliert. Gar nicht so einfach und ungefährlich, in 4 Meter Höhe ohne Leiter bestimmte Pakete zu suchen und dem Zöllner zu geben. Aber wir überstanden die Kontrolle ohne Absturz und Beanstandungen und konnten dann zum Jugendhaus fahren, wo wir alle zusammen den Lkw ausluden. Ohne weitere Kontrolle, und ohne dass nochmals eine Plombe ans Lager gemacht worden wäre.
Am nächsten Tag fuhren wir bei starkem Schneefall auf weißen Straßen in die Karpaten. Die Bussle waren voll mit Geschenkpaketen. Im großen Rathaus warteten in einem Saal schon viele Kinder auf uns, alles Waisen oder Halbwaisen. Organisiert wurde das alles von einer jungen Frau, die selber schon als Kind keine Eltern hatte und sich jetzt um die Waisenkinder in der Region kümmert. Zuerst wurde uns das Krippenspiel auf Ukrainisch vorgespielt, dann sangen wir mit den Kindern, stellten pantomimisch verschiedene Tiere da, die sie raten mussten und mit einem Anspiel zum Thema: „Jeder ist wichtig“ beendeten wir das Programm. Danach durften wir jedem Kind ein Geschenk geben – da strahlten die Augen! Wir wurden dann noch zu einem reichlichen Essen im Gemeindehaus eingeladen. Dabei erfuhren wir einiges von der Not hier: Uns wurde zum Beispiel von einer Frau berichtet: Ihr Bruder hatte 5 Kinder, ist im Krieg gefallen, und nun hat diese Frau plötzlich 5 Kinder, die sie versorgen muss. Wir wurden auch gefragt, ob wir nicht im Sommer wiederkommen möchten und mit den Waisenkindern eine Sommerfreizeit durchführen würden – das hat mein Herz berührt.
Abends trafen wir uns immer mit den Jungs vom Jugendhaus, gemeinsam sangen wir, lachten, bastelten und machten uns Gedanken über Vergebung und wie sehr Gott uns liebt. Es waren gute und bewegende Abende. Die Jungs sind von Herzen dankbar, dass sie einen Platz im Jugendhaus bekommen haben: Einer war im Krieg und wurde dort angeschossen. Er sagt, das Jugendhaus sei das Beste, was ihm bisher im Leben passiert ist.
In den nächsten Tagen verteilten wir bei minus 15 Grad und eisigen Wind in den Zigeunervierteln Lebensmittelpakete direkt in die „Häuser“ an die Familien. Es war hart, die bittere Not zu sehen. Doch vor dem ersten Verteileinsatz trafen wir uns mit den Zigeunern in ihrer Gemeinde – der Raum war bis zum Anschlag voll: Sie sangen, wir sangen. Und wenn Zigeuner singen dann sind sie voll dabei. Im Anschluss an unser Anspiel und unseren Impuls wurde noch das Tanzbein geschwungen. Zuerst nur ein paar junge Mädchen auf der Bühne, doch dann kamen auch ein älteres Ehepaar und andere dazu, alle wurden von der Gemeinde angefeuert. Obwohl diese Menschen in so harten Umständen leben, freuten sie sich an Gott und am Leben. Da können wir uns auf jeden Fall eine dicke Scheibe abschneiden – wie selten sagen wir Danke für all das, was wir haben!
Als wir danach die Pakete von Haus zu Haus verteilen, sahen wir erst, unter welch schwierigen Bedingungen die Menschen hier leben: Die Häuser waren eigentlich nur irgendwie zusammengezimmerte Baracken. Meist ein Raum, der ein paar Schlafmöglichkeiten drin hatte, einen Ofen und sonst nicht viel. Und in diesem einen Raum spielt sich das ganze Leben ab. Er ist Küche, Schlafzimmer, Spielzimmer, Bad und Wohnzimmer in einem – und darin leben auf ca. 12m² sechs bis 10 Personen.
Viel zu schnell ging dieser Einsatz zu Ende. Eigentlich wollten wir noch in das Behindertenheim fahren, doch wegen einer Lawine war die Straße dorthin verschüttet. Obwohl der Einsatz kurz war, hat er doch die Teilnehmer sehr bewegt: „Ich überdenke mein Leben und meine Prioritäten ganz neu. Ich möchte lernen, dankbar zu sein und mich nicht nur um mich selber zu drehen. Ich kann einen solchen Einsatz nur jedem empfehlen!“
Dann mussten wir uns schon wieder auf die Heimreise machen. Dieses Mal kamen die Bussle sehr zügig über die Grenze und waren um halb zehn schon an der österreichischen Grenze – ganz anders als im letzten Jahr, als sie 4 Stunden auf die Einreise in die EU warten mussten.
Christoph und ich hatten noch ein sehr gutes Gespräch mit den Leitern im Jugendhaus, es gibt immer viel zu planen, organisieren und zu überlegen. Als Slawik mich dann noch fragte, ob wir nicht das Camp im Sommer mit den Waisenkindern machen wollen, war mir klar, was dran ist. Ich freue mich über jeden, der mitkommt!
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