Ungeahnte Herausforderungen
Im Lager ist es brechend voll. Kleider und Lebensmittel türmen sich in den Gängen unseres kleinen Lagers in Spielberg. In einer Ecke sind Sonderpakete eingelagert mit jeder Menge Schutzanzügen und Masken sowie Desinfektionsmitteln. Genau die brauchen wir. Wir sind gerade dabei die Lkw´s zu laden. Julian wird sich auf den Weg nach Albanien machen und ich werde ins Krankenhaus in der Ukraine fahren. Dass das Lager voll ist freut uns umso mehr, denn die Hilfe wird so nötig gebraucht.
Wir sind Startklar. Mit beiden Lkws geht’s zu aller erst zum Zoll nach Nagold. Dort werden unsere Container verplombt und das Bürokratische abgewickelt. Schnell noch die Nummern der Plomben überprüfen mit den Eintragungen auf den Papieren und dann kann es auch schon richtig losgehen. Wir fahren die ersten Kilometer im Konvoi und passieren dabei das schöne Süddeutschland über Ulm, München bis runter in das bergige Berchtesgadener Land. Vor den Toren Österreichs trennen sich dann Julians und meine Wege. Er wird in Richtung Italien weiterfahren und ich werde quer durch Österreich in Richtung Ungarn zusteuern.
Wir reden noch kurz und wünschen einander eine gute Fahrt und dann geht’s auch gleich weiter. Ich komme noch bis Sankt Pölten wo ich in einer ruhigen Straße ein nettes Plätzchen zum Übernachten finde.
Eigentlich sind die Fahrten in die Ukraine keine große Sache. Klar ist das übliche Grenze passieren mit der ein oder anderen kleinen Schwierigkeit verbunden, aber im Großen und Ganzen klappt es immer problemlos. Als ich aber in Ungarn noch nichts Ahnend auf Budapest zufahre fällt es mir plötzlich ein. Ich hatte etwas vergessen. Für die Ukraine braucht man eine Genehmigung um auf den Straßen fahren zu dürfen. Ein kleiner DIN A 5 großer Zettel der bei Ein- und Ausreise vorgelegt werden muss.
Was soll ich jetzt nur machen? Ich telefoniere mit Julian und mit Slawik, dem Leiter des Jugendhauses in Ushgorod. Die einzige Möglichkeit die sich wohl auftut, ist es das Papier mir per Express zuzuschicken, falls es nicht klappen sollte ohne diese Genehmigung einzureisen. Von überschwänglichen Optimismus gepackt entschied ich mich es zu versuchen auch ohne dieses Papier zur Grenze zu fahren.
Ich erreiche den ungarischen Grenzposten gegen 20 Uhr und freue mich schon, dass so wenige Lkws an der Grenze stehen. Ich zeige wie immer meine Pässe und Papiere, gehe den altbekannten Weg zum Zollgebäude. Es klappt einwandfrei. Erste Station abgehackt und ich überquere die Theiß hinüber zu Ukrainischen Seite. Slawik erwartet mich bereits und ist wahrscheinlich genauso gespannt ob es klappt wie ich. Auch hier gehe ich die üblichen Wege. Bis dato keine Probleme. Lediglich eine Bestätigung ist zu kaufen das man kein Coroaninfizierter ist, das ist neu. Gestärkt von all der Reibungslosigkeit geht’s dann ins Zollgebäude. Vorbei an wartenden Fahrern bahnen wir uns den Weg zum Zollbeamten. Hinter einer Glaswand sitzen drei Beamte die emsig mit ihren Stempeln Papiere checken und freigeben. Slawik schiebt alle vorhandenen Papiere durch eine kleine Öffnung in der Scheibe dem Beamten entgegen und schildert sogleich die Situation mit dem Papier. Sie reden einige Zeit. Ich verstehe kein Wort aber ihre Mimik lässt meine Hoffnung schwinden. Nach ein paar Minuten und Gesprächen mit anderen Fahrern, die ernüchternde Gewissheit. Ich brauch dieses Papier. Es führt kein Weg daran vorbei. Ich telefoniere mit Julian und wir beschließen das Papier an einen Kontakt in Ungarn zu schicken, den Julian über Bekannte vermittelt bekommen hat.
Ein herber Schlag und innerlich tadele ich mich dafür die Papiere nicht gründlich genug kontrolliert zu haben. Doch umso freudiger die Nachricht das es klappt das Papier zu diesem Kontakt zu senden.
Mit einer Polizeilichen Genehmigung darf ich Gott sei Dank ohne Lkw einreisen und muss nicht auf dem Zollgelände übernachten. Zusammen mit Slawik fahre ich dann zum Jugendhaus. Ich bin echt dankbar.
Die nächsten Tage gilt es nun zu warten. Das Papier wird von Berlin aus nach Ungarn per Expresssendung zugestellt und sollte in etwa zwei Tagen ankommen.
Ich bin echt dankbar im Jugendhaus so gut aufgenommen zu werden und für die Möglichkeit dort zu übernachten. Die Jungs freuen sich echt riesig mich zu sehen und zu meiner Überraschung gibt es eine große Aufgabe für mich. Ich soll Maße kontrollieren die aus den alten Bauplänen des Hauses in Perechyn zu entnehmen sind. Natürlich packt mich diese Aufgabe gleich. Slawik und ich sind den ganzen Tag beschäftigt Maß zu nehmen an dem alten Haus. Zurück im Jugendhaus setzte ich mich sogleich daran die Maße in einen Plan zu bringen.
In der Zwischenzeit ist das Papier bei unserem Kontakt angekommen. Ein Pastor einer Gemeinde recht nahe der ukrainischen Grenze brachte das Papier über den ungarischen Zoll zu einem der Zollbeamten der ukrainischen Seite wo das Papier hinterlegt wird. Ich bin überrascht wie problemlos das ging. Endlich können die Papiere gemacht werden. Es ist spät abends und bis alles durch ist vergehen nochmals ein paar Stunden, doch es passt alles und ich kann komplett mit Lkw einreisen. Ich freue mich riesig. Nun kann ich die eigentliche Strecke in Angriff nehmen.
Als wäre nie etwas gewesen fahre ich die übliche Strecke vollkommen reibungslos bis zum Zollhof in Ternopil. Es ist ein herrlicher Tag. Angenehm warm und freie Straßen.
Auch die Zollangelegenheiten in Ternopil sind rasch abgewickelt und so finde ich mich kurze Zeit später am Krankenhaus in Ilawtse wieder. Emsig helfen mir alle beim Abladen des Lkws. Endlich sind die erwarteten Windeln und Krankenhausartikel angekommen. Betten und Kleider, Verbände und anders Equipment füllen das Lagerhaus. Kaum zu glauben dass das jetzt alles noch so gut geklappt hat. Ich bin so dankbar. Da ist der geplatzte Federbalg kaum noch der Rede wert oder mein Missgeschick mit den Rücklichtern des Hängers beim Rangieren. Es hat alles geklappt und ich kann mich wieder auf den Weg in die Heimat machen.