Es sollte ein schneller Hilfstransport ins Jugendhaus werden, doch dann kam es wieder anders als gedacht. Doch der Reihe nach:
Geladen mit 20 Tonnen Hilfsgütern, viele Lebensmittel, Geschenkpakete der Aktion „Strahlende Augen“ für Weihnachten, Kleider, Schuhen und Decken machte ich mich auf die Reise gen Osten. Die Ladung war vom Ministerium in Kiew schon frei gegeben und so freute ich mich auf eine gute und schnelle Hilfsaktion.
Und die Anreise verlief sehr gut. Über Österreich und Ungarn kam ich am zweiten Tag abends an die Grenze, wo kaum was los war. Warten durfte ich trotzdem, aber nach vier Stunden war alles geschafft und Slawik geleitete mich zum Zollhof, wo ich den Lkw über Nacht abstellte. Ich durfte im Jugendhaus am nächsten Morgen ausschlafen und Slawik wollte den Zoll machen, und mich dann am späten Vormittag holen, um den Lkw zum Jugendhaus zu fahren und ihn dort abzuladen.
Doch die Stunden vergingen, Slawik kam aber nicht. Am Nachmittag dann die Nachricht, dass es schwierig ist und noch dauert. Und es dauerte noch lang, erst abends um 21:00 Uhr waren alle Papiere fertig. Was war los? Die Genehmigung aus Kiew war schon eine Woche da. Doch zwischenzeitlich hat sich ein Gesetz geändert, und so mussten alle Papiere für den Veterinärarzt neu gemacht werden. Diesen holte Slawik aus einer Vorlesung, damit er den Stempel auf die Listen drückt. Wie reagiert ein Arzt, der in seinem normalen Ablauf gestört wird? Er möchte das erste Mal seit zig Jahren das Original einer Bescheinigung sehen, die Kopie reicht nicht. Also fährt Slawik wieder quer durch die Stadt, holt mich im Jugendhaus, fährt mit mir zum Zollhof, damit ich ihm aus dem Lkw die Bescheinigung gebe, fährt wieder zurück zur Uni, holt den Doktor nochmals aus der Vorlesung und bekommt den Stempel. Vor dieser Aktion war noch stundenlang das Computersystem ausgefallen – so kriegt man einen Tag auch rum.
Während des Wartens bekomme ich mit, wie russische Boote ein ukrainisches Boot rammt, wie die Straße von Kertsch blockiert wird und wie die Ukraine dann das Kriegsrecht für die Regionen im Osten verhängt – schon ein komisches Gefühl. Aber ich weiß mich sicher, habe ich doch einen Auftraggeber, der auf mich aufpasst.
Slawik erzählt mir dann noch, dass die Grenzen zu Polen, Slowakei und Ungarn alle blockiert sind. Warum das? Wenn man sich ein Auto in der EU kauft und dieses in die Ukraine einführt muss man eine recht hohe Importsteuer bezahlen, 3000€ bis 4000€ pro Auto. Etwas ganz normales, das wird in den meisten Ländern so gemacht. Doch die Ukrainer sind schlau. Tausende haben ihr neues (gebrauchtes) Auto einfach nicht in der Ukraine angemeldet und fahren mit den bisherigen Kennzeichen aus Ungarn, Polen oder der Slowakei herum. Dem möchte der Staat nun einen Riegel vorschieben und verlangt die Einfuhrsteuer sobald die Polizei ein solches Auto sichtet. Da sind die Ukrainer natürlich dagegen und haben deshalb die ganzen Grenzübergänge blockiert.So beschließen wir dann, erst an nächsten Morgen auszuladen.
Frisch ausgeruht klappt das auch sehr gut und kurz nach 10 Uhr mache ich mich auf die Heimreise. Noch den Tank voll machen und ab Richtung Grenze. Ich bin natürlich mehr als gespannt, was mich erwartet: Da ist sie, die Kilometerlange Lkw-Schlange. Ich fahre vorbei, weit und breit kein Pkw. Irgendwann stoppt mich ein Polizeiposten und erklärt, dass ich nicht weiterdarf. Ich erklär ihm wiederum, dass ich aber heim möchte und ja in die Ukraine Hilfsgüter gebracht habe. Also telefoniert der Polizist mit den Demonstranten und fragt diese, ob ich vor darf. Unglaublich irgendwie. Nach 10 Minuten rufen die Demonstranten zurück und ich darf vor fahren. Vorne, direkt vor der Grenze sind nur ca. 15 Personen, die ein paar Autos quer über die Straße gestellt haben. Nach einer guten halben Stunde Wartezeit machen sie für mich kurz Platz und ich darf in den Zollhof. Dieser ist jedoch voll! Das hat mich dann doch überrascht. Ich dachte die Grenze ist leer und ich komme zügig rüber. Aber nein: Der Rückstau war von der ungarischen Seite her! Und ich kapiere: Die Demonstranten lassen die Lkws immer wieder durch, jedoch keinen einzigen Pkw, da ist alles leer. Doch auf ungarischer Seite wird so langsam abgefertigt, dass ich 6 Stunden brauche, bis ich endlich in Ungarn bin. Wohlgemerkt: Es gab kein einziges Problem, einfach die ganz normale Schikane…
Ich fahre in den Abend hinein und komme noch an Budapest vorbei, wo ich mir auf diese Weise den Stau, der dort Tagsüber momentan herrscht, erspare.
Am nächsten Tag komme ich Abend in Bayern an, wo ich noch eine Rückladung mitnehmen darf. Kein Problem, dachte ich, doch die Ware war auf vier Ladestellen verteilt und so brauchte ich bis 15:00 Uhr, bis ich alles geladen hatte und machte mich dann auf die letzte Etappe. Mit dem üblichen Stau bei Stuttgart kam ich dann abends wohlbehalten wieder zu Hause an.