„Das könnte doch mal wieder ein ganz normaler Hilfstransport werden“ war mein Gedanke, als ich sonntagmorgens auf recht leeren Autobahnen einen Lkw voller Hilfsgüter in den Osten fuhr. Ziel ist diesmal Minsk in Weißrussland. Es ist eine schöne Fahrt, über Nürnberg, Chemnitz und Dresden an die Deutsch-Polnische Grenze bei Görlitz. Auch durch Polen geht es gut weiter. Hier hat die EU jede Menge neue Autobahnen gebaut, die man aber per Maut teuer bezahlen muss. Deshalb fahre ich nach wie vor die alten Landstraßen, die breit sind, aber kaum noch Verkehr haben. Quer durch Polen, ich komme an Städten wie Breslau und Warschau vorbei. Gegen 16 komme ich an die Grenze nach Russland, und fahre an ca. 3km Lkw-Stau vorbei. Doch dann ist auch auf der zweiten Spur, die ich gerade nutze, eine Lkw Schlange. Noch 2km bis zur Grenze. Und durch einen Gefallen, den ich jemand mache, komme ich auf die innere Spur und kann die Schlange nicht mehr verlassen. Geduld über ist angesagt.

endlich vorne!

endlich vorne!

Gegen 20 Uhr komme ich an die Grenze. Hier auf polnischer Seite klappt es sehr gut und schnell, schon nach 10 Minuten geht’s weiter. Vor mir geht die Straße ca. 3km, eingerahmt von einem grünen Stahlzaun, bis zur eigentlichen Landesgrenze. Und ab dort von der Brücke den Bug bis zum Zollhof verbringe ich weitere 3-4 Stunden. Geduld üben ist angesagt. Im Zoll nimmt dann alles seinen gewohnten Gang. Und siehe da, es gibt keine Probleme! Keine Nachfragen, keine fehlenden Papiere, kein Androhen von Abladen, kein Röntgen. Alles nimmt seinen Gang und so kann ich um 4 Uhr morgens Ortszeit nach Weißrussland einreisen.

Direkt nach der Grenze „übernachte“ ich dann auf einem bewachten Parkplatz, der zu der Werkstatt gehört, die mir im Sommer die Hydraulikleitung geflickt hatte. Am späten Vormittag geht’s weiter: Erstes Projekt: Eine Beltoll Mautbox kaufen. Dort erfahre ich, wie ich auch schon wusste, dass Hilfstransporte von der Maut befreit sind. Ich hatte mir extra im Vorfeld einen Antrag aus dem Internet heruntergeladen und ausgefüllt, und gab diesen dort ab. Das brachte die Leute aus dem Konzept. Hier anrufen, dort anrufen… Keiner konnte deutsch oder englisch… So mache ich ihnen mit Hilfe eines anderen Fahrers klar, dass ich einfach so eine Box kaufen möchte und dann später den Mautbefreiungsantrag in Minsk abgeben werde. Antwort: Jetzt können sie mir keine Box mehr verkaufen… Na gut denke ich, fahre ich halt zur nächsten Tankstelle und kaufe dort eine Box. Doch es kommt keine Tankstelle mit beltoll Service mehr. Da mir das alles ziemlich merkwürdig vorkommt, halte ich bei einem Polizeiauto an und frage dort. Die bringen mich zu einem anderen Polizeiauto, und dort kennt man sich etwas mehr aus: Ich müsse 520€ Strafe bezahlen, da ich ohne Beltoll- Box unter zwei Mautbrücken durchgefahren bin. Alles Diskutieren bringt nichts. Im Prospekt, den ich vorher erhalten habe, steht schwarz auf weiß, dass Hilfstransporte von der Maut befreit sind. Egal. Telefonate mit dem Empfänger in Minsk ändern auch nichts. Nach ca. 4 Stunden kann ich dann die Strafe direkt im Polizeiauto mit Visakarte bezahlen…

Ärger mit Beltoll, Hilfstransporte sind von der Maut befreit. Nur keiner weiß, wie!

Ärger mit Beltoll, Hilfstransporte sind von der Maut befreit. Nur keiner weiß, wie!

Igor, unser Kontaktmann in Minsk, macht mir Hoffnung, dass ich das Geld zurückbekomme. Mein Fall ist einfach im System nicht bedacht worden, so erklärte es ihm der Polizist. Der wiederum auch keine andere Möglichkeit hatte, da alles automatisch im Computer aufgezeichnet war…

Nun, so konnte ich dann zur nächsten Beltoll-Servicestelle fahren und dort eine Box kaufen. Der arme Verkäufer war ziemlich überfordert mit seinem Computer, gemeinsam haben wir es dann innerhalb einer Stunde geschafft. Acht Unterschriften und ich hatte die legendäre Box endlich in meinen Händen!

Noch 350km bis Minsk, leider muss ich in der Dunkelheit fahren, was ich dort im Osten nur sehr ungern mache. Doch ich muss am nächsten Morgen am Zoll sein, sonst läuft die Frist ab. Alles geht gut und ich habe eine ruhige Nacht auf dem Zollhof. Am nächsten Morgen geht der Zoll an Blitzschnell. Keine halbe Stunde, und wir können schon zum Abladen. Das einzig kuriose: Ich muss noch eine Bescheinigung organisieren, wie lange das mitgebrachte Spülmittel haltbar ist.

Nun geht’s quer durch die Stadt zum Invalidenverein. Wie immer, alles zugeparkt. Wieder Geduld üben, nach 1,5 Stunden für 70 Meter bin ich endlich am Ziel. Igor kommt mit 10 Mann von der Rehastation und so wird der Lkw abgeladen. Alle sind mit Eifer dabei, und so leert sich der Lkw und das Lager wird immer voller. Die Organisatorinnen vom Invalidenverein strahlen übers ganze Gesicht und freuen sich über all die Güter, die sie weitergeben können.

Während der Lkw noch abgeladen wir besuche ich mit Igor das Rehazentrum. Es ist schön zu sehen, wie es sich weiterentwickelt und wie Menschen frei von Drogen und Alkohol werden.

Igor und Oleg fahren mit mir zum Rehazentrum

Igor und Oleg fahren mit mir zum Rehazentrum

Am frühen Nachmittag geht’s dann wieder gen Westen. Mit vollen Tanks, hier kostet der Diesel nur knapp 0,80€, geht’s zur litauischen Grenze. Denn nur hier darf der Tank voll sein. 13 Kilometer vor der Grenze fängt der Lkw-Stau an. Ich fahre zügig vorbei, werde dann aber von mehreren Fahrern, die mitten auf der Straße stehen, angehalten. Nach einer recht ruhigen Diskussion darf ich weiter fahren und komme direkt bis vor den Schlagbaum. Hier ist zähes diskutieren mit dem Grenzpolizisten angesagt, nach ca. einer Stunde darf ich dann in den Zollhof. Im Zoll sind rund 30 Fahrer, die vor vier Schaltern, wovon zwei besetzt sind,  stehen. Ich gehe an einen Schalter vor und erkläre den Fahrern dort, dass ich Hilfsgüter zum Invalidenverein gebracht habe und ob ich denn vor darf. Jetzt geht das Gezeter los: Ich sei doch leer und deshalb kein Hilfstransport mehr. Und überhaupt. Zum Glück verstehe ich kein russisch, aber das Geschrei ist groß und dem Tonfall nach zu urteilen sind sie nicht sehr begeistert von mir. Ich frage sie dann auf Deutsch, ob sie denn Egoisten sein wollen. Ich komme aus Deutschland und bringe ihren Invaliden Hilfe. Ein paar werden ruhiger, aber die Rädelsführer bleiben bei ihrer lautstark vertretenen Meinung: Sobald der Lkw leer ist, ist es kein Hilfstransport mehr. Nun denn, ich stelle mich etwas seitlich hin und warte mal ab. Theoretisch sind 20 Mann vor mir dran, wie man anhand der nummerierten Laufzettel erkennen kann. 20 Mann a mind. 10 Minuten…

Tatsächlich hält sich aber keiner so richtig an die Nummern… Die Diskussion über mich hat sich in die linke Seite des Raumes verlagert, ich stehe rechts alleine. Und plötzlich wird der Schalter direkt vor mir frei. Und ich bin der einzige, der dort steht und das merkt. Ich zöger kurz, doch die Zöllnerin sagt dawai und ich gebe meine Papiere rein. Es brauchte keine Minute, und die anderen haben es auch bemerkt und kommen lautstark schreiend her. Ich mache ihnen Platz und sie reden auf die Beamtin ein. Die sagt irgendeinen Satz zurück und alle sind friedlich. Vielleicht sollt ich mir den Satz mal aufschreiben lassen! J

Und jetzt ist es endlich soweit: Mein Gedanke von der Abfahrt erfüllt sich. Ab jetzt wird es eine ganze normale Rückreise, ohne irgendwelche Probleme. Über Vilnius, Kaunas, Suwalki, Warschau, Breslau komme ich wieder nach Deutschland. Und am Sonntagabend bin ich wieder dankbar und glücklich zu Hause.

Viele weitere Bilder!

Hier finden Sie noch weitere Bilder von diesem Hilfstransport nach Minsk/Weißrussland.

Hilfstransport in die Ukraine März 2014

Die Situation in der Ukraine war und ist immer noch sehr spannend. Wir hatten für Anfang Februar einen Hilfstransport zu unserem Dorfkrankenhaus in die Ukraine geplant. Doch kamen dann die Demonstrationen mit all den schlimmen Ausschreitungen und leider vielen Toten in Kiev dazwischen. Dann waren tageweise die verschiedenen Grenzen blockiert. So verschoben wir den Transport immer wieder. Endlich gab es einen Lichtschimmer, Janukowitsch war geflüchtet, die neue Regierung fing an zu arbeiten, die Polizei wechselte auf die Seite des Volkes.

Das war unsere Chance! Am Freitag, den 28. Februar 2014, startete der Hilfstransport in die Ukraine. Der Lkw war voll beladen mit Rollstühlen, Gehilfen, Matratzen, Krankenhausbetten, Reinigungsmitteln, Kleidung, Decken und Schuhen. Nach dem verzollen in Horb gings es auf die lange Reise in den Osten. Über Hof und Dresden erreichten wir Polen, wo wir in der Nähe von Piotrkov Trybunalski übernachteten. Morgens mussten wir am Anhänger eine Luftleitung reparieren, sie hatte sich durchgescheuert. Aber das ist inzwischen Routine.

kleine Reparatur am Anhänger

kleine Reparatur am Anhänger

Am Abend erreichten wir die Grenze zur Ukraine. Die polnischen Zöllner fragten uns, ob wir zum Maidan wollen. Aber die Abfertigung verlief zügig. Auch an der ukrainischen Seite war nur wenig los. Die Beamten waren sehr freundlich und so konnten wir in Rekordzeit die Grenze überqueren und an der nächsten Tankstelle übernachten.

Am nächsten Morgen sahen wir, dass die Straßensperre komplett weggeräumt war und konnten uns auf die langsame Fahrt auf schlechten Straßen zu unserem Dorfkrankenhaus machen. Unterwegs erfuhren wir von Putins Aktivitäten auf der Krim. Ganz wohl war uns nicht, doch zum Glück ist die Krim weit weg. Eine kurze Pause an einem Friedhof für gefallene Soldaten lies mich sehr nachdenkloch werden. Schon einmal mussten im Kampf in der Ukraine tausende Menschen sterben. Lasst uns beten, dass es für die jetzigen Entwicklungen eine gute Lösung gibt.

abgebaute Barrikade an der Grenze

abgebaute Barrikade an der Grenze

Gegen Abend erreichten wir Ternopil. Auf der Zufahrt zur Umgehungsstraße war eine Straßensperre aufgebaut. Reifen, Paletten, einige Männer. Zögernd fuhr ich hin. Umdrehen bringt ja auch nichts. Ich kurbelte das Fenster runter und war gespannt, was kommt. Doch der Mann fragte mich freundlich, wo ich den hinwolle und was ich dabei hätte. Er freute sich sichtlich, dass wir Hilfe für das Dorfkrankenhaus Ilawtse haben. So konnten wir problemlos passieren und schlugen unser Nachlager im Zollhof auf.

Am nächsten Morgen kamen dann Mitarbeiter vom Krankenhaus und machten die Papiere fertig. Schon am späten Vormittag konnten wir zum Krankenhaus fahren. Unterwegs wieder Straßensperren, diesmal wurden wir gar nicht angehalten. Die Straßen haben diesen Winter wieder sehr gelitten… sie werden Jahr für Jahr rapide schlechter.

Das war mal eine Autobahn...

Das war mal eine Autobahn…

Im Dorfkrankenhaus angekommen geht es unter der Aufsicht vom Zollbeamten ans abladen. Das Hilfsgüterlager füllt sich wieder, die Mitarbeiter sind froh über den Nachschub. Besonders die Inkontinenzprodukte begeistern sie. Denn diese machen die Arbeit doch wesentlich angenehmer. Zum Mittagessen sind wir beim Chefarzt eingeladen, es gibt guten ukrainischen Borscht.

Beim Krankenhaus besichtigen wir noch das neue Gebäude. Denn in unserem Krankenhaus sollen Studenten ihr Praktikum machen. Dieses Projekt wurde von der einem Minister der alten Regierung vornagetrieben. Für uns ist das sehr gut, denn die Studenten packen auch praktisch mit an und entlasten so unsere Mitarbeiter. Doch jetzt in dem ganzen Umbruch sind wir gespannt, ob und wie das weitergeht.

Während der Lkw abgeladen wird, treffen wir Iwan (Name geändert).  Er wartete gerade auf eine Verwandte, die im Krankenhaus zur Behandlung war. Er war auf dem Maidan und berichtete uns mit vielen Bildern von seinen Erlebnissen. Dieser ganz normale Ukrainer war mehrmals für mehrere Tage nach Kiew gereist um an den Protesten auf dem Maidan-Platz teilzunehmen. Ohne vorher mit ihm gesprochen zu haben, zeigte er uns Fotos auf seinem Handy, welche er während den Protesten geschossen hatte. Man sah neben den ganzen Bildern, die jeder aus dem Fernsehen kannte, auch den Alltag auf dem Platz: wie Menschen in Zelten schliefen, sich an Feuern wärmten oder Plakate mit Aufschriften hielten. Sehr beeindruckend war, wie nahe sich die Bergkut-Schlägertrupps und die Demonstranten gegenüberstanden. Hierzu hat er mehrere Fotos geschossen und darauf hingewiesen in welchen Bussen sie kamen, wo sie standen und was sie machten. Uns hat es nachdenklich gemacht, dass selbst vom Land um Ternopol die Leute zu den Protesten in das entfernte Kiew reisten um an den Protesten teilzunehmen.

 

Er berichtete uns von seinen Erlebnissen auf dem Maidan.

Er berichtete uns von seinen Erlebnissen auf dem Maidan.

Am frühen Abend ist der Lkw leer und wir beschließen, gleich noch zurück in die Stadt zu fahren und dort zu übernachten. SO sparen wir Zeit. Denn wegen der Situation auf der Krim wollen wir die Ukraine möglichst schnell verlassen. Nicht dass wir Angst um uns hätten. Im Gegenteil, wir fühlten uns sicher. Die Stimmung in der Ukraine war sehr positiv, die Menschen freundlich, wie ich es noch nicht erlebt hatte. Obwohl keine Polizei arbeitet, halten sich sogar die „mafia-Leute“ mit ihren dicken Fahrzeugen plötzlich an Geschwindigkeitsbegrenzugen. Als die Polizei noch aktiv war, hat das nicht funktioniert. Man spürt in der Ukraine eine Aufbruchsstimmung.

Wir stellen den Lkw auf einem bewachten Parkplatz ab und fahren mit dem Taxi noch ins Stadtzentrum. Dort hat es auch ein paar Barrikaden und Zelte. Und ganz viele Blumen und Kerzen. Aus Ternopil sind drei Menschen in Kiev erschossen worden. Was hier im Westen kaum erwähnt wird: Es sind noch immer über 300 Menschen, die auf dem Maidan waren, vermisst.

Gedenkstelle für die Opfer der Revolution

Gedenkstelle für die Opfer der Revolution

Am nächsten Morgen geht’s dann wieder gen Westen. Wir fahren auf einer kleineren Straße um kommen so nicht an Lvov vorbei. Man weiß ja nie. Auf katastrophalen Straßen kommen wir problemlos nach einer schönen Karpatenüberquerung nach Ushgorod. Hier können wir an unserem Jugendhaus übernachten und uns duschen. Slwaik und Viktor, die Leiter des Heims freuen sich über unseren Besuch, und so erzählen wir noch lange…

Am nächsten Tag geht’s dann über die Grenze nach Ungarn. Und man höre und staune: Der Beamte, der bisher von mir immer 5 oder 10 Euro wollte, diese aber nie bekommen hat und entsprechend schlecht auf mich zu sprechen war, war plötzlich richtig freundlich und fragte nicht nach Euro! Hoffen und beten wir, dass sich diese Entwicklung fortsetzt und die Ukraine die Korruption besiegt!

Der ukrainische Zoll verlief sehr gut, doch die ungarische Seite war recht mürrisch und kontrollierte ganz genau auf Zigaretten. Ein paar Lkw vor uns wurde das halbe Fahrerhaus zerlegt, alle anderen durften warten… Erst am Nachmittag waren wir fertig und wirklich froh, wieder in der EU zu sein.

Über Budapest, Wien und Linz kamen wir wieder nach Deutschland. Hier konnten wir noch eine komplette Lkw-Ladung lang haltbare Lebensmittel abholen, wofür wir sehr dankbar sind. Am Abend kamen wir dann wohlbehalten und dankbar wieder zu Hause an.

Es ist spannend! Seit Wochen müssen wir den geplanten Hilfstransport in die Ukraine immer wieder verschieben. Nun kommt ein weiterer, lang geplanter Transport „in die Quere“.  Nachschub für die Kleiderkammer in Bulgarien. Kurzfristig haben wir uns entschieden, die Güter ausnahmsweise per Spedition zu schicken. Zuerst gings nach Calmbach, hier findet einmal im Jahr eine Kleidersammlung für DHHN statt. Organisiert vom Verein „Pusteblume“. Herzlichen Dank für eures tolles Engagement! Zum weiteren Beladen des Lkws bei DHHN waren Jugendkreis und Sportteam aktiv. Herzlichen Dank für euren tollen Einsatz! Stefan, unser Leiter in Bulgarien, hat sich sehr über den Nachschub gefreut: „Thank you so much for the full truck with goods. It is great help for us in this period of the year!!“DHHN-

DHHN--2