Samstag morgen. Es schneit. Es hat die ganze Nacht geschneit. Ganz Oberschwandorf ist weiß. 20 cm Pulverschnee. Der beladene und verplombte Lkw steht in einer Seitenstraße und nach dem Frühstück stapfe ich durch tiefen Schnee zu ihm.
Wir wollen weit weg. Einen Hilfstransport in die Ukraine fahren. Doch nun muss ich mir erstmal überlegen, wie wir aus Oberschwandorf kommen. Wegen Baustellen sind viele Straßen gesperrt, und ich kann nicht einfach das Tal runterfahren. So fahre ich auf schneeweißen Straßen über Egenhausen, ab hier folgt mir David in seinem Pkw, nach Walddorf. Hier durch den Ort, damit ich das steile Gefälle umgehen kann runter ins Nagoldtal. Dank der neuen Reifen kommt der Lkw gut durch, selbst die lange Steigung aus Nagold zum Schotterwerk Mayer ist kein Problem.

…unterwegs durch Schnee und Eis
Auf der Autobahn ist dann die rechte Spur mehr oder weniger frei, und wir kommen gut voran. Doch ab Wendlingen ist Schluss mit Lustig. Für die nächsten 70km bis Ulm brauchen wir Stunden. Um 16:30 kommen wir endlich in Neu-Ulm bei der Mercedes-Werkstatt an. Hier lassen wir den Golf stehen, denn auf der Rückreise machen wir es andersrum: Der Lkw hat ein paar Reparaturen vor sich und wir fahren mit dem Golf heim.
Ab jetzt sind wir zu zweit und die Autobahn ist quasi frei. Naja, mehr oder weniger. Am im Vergleich zum Schnitt von 20km/h bis Ulm ist fast alles andere besser. Wir entschließen uns, über Passau und Deggendorf zu fahren. So umgehen wir das Alpenvorland und haben recht passable Straßenverhältnisse. Trotz des ganzen Schnees kommen wir noch bis zum Rasthof Donautal bei Passau, wo wir übernachten.
Am nächsten Morgen kamen wir auf verhältnismäßig freien Autobahnen bis St. Pölten, wo wieder Schneefall einsetzte. Deshalb fuhren wir nicht die direkte Strecke, sondern hinten rum entlang der Donau über Krems nach Wien. Zum Mittagessen trafen wir uns beim Paprika Csarda an der ungarischen Grenze mit einem befreundeten Hilfstransport und ließen uns das (Nach-)Mittagessen schmecken.
Ab Budapest gab es dann keinen Schnee und wir fuhren noch bis kurz vor die ukrainische Grenze. Am letzten Autobahnrasthof übernachteten wir. Am Montag stand dann die Grenze auf dem Programm: dank der Feiertage war fast nichts los, und wir konnten innerhalb von 40 Minuten die ungarische Grenze passieren. Auf der anderen Seite der Theiss ging es etwas gemütlicher. Doch dank Slawiks Hilfe, er ist der Leiter des Jugendhauses und kam zur Grenze, waren wir gegen Mittag fertig und konnten nach Ushgorod fahren. Wie immer leider nur auf den Zollhof, wo der Lkw bis zum nächsten Tag blieb und Slawik immer wieder hin musste, um die Papiere zu machen. Wir wurden unterdessen im Jugendhaus einquartiert, konnten uns duschen und bekamen leckeres Essen.
An diesem Tag morgens um 4 Uhr ist auch die Einsatzgruppe in Deutschland aufgebrochen, 14 junge Leute, die mit uns Hilfsgüter verteilen und die Jungs im Jugendhaus kennenlernen wollen.
Gegen 16:00 können wir dann den Lkw vom Zollhof holen und unter Aufsicht des Zöllners im Jugendhaus bei eisigem Wind entladen. Alle Jungs packen fleißig mit an und mit großer Begeisterung leert sich der Lkw. Zum Glück haben wir dort eine große Halle. Leider brachte der Zöllner dann eine Plombe an der Halle an, so dass wir während des Einsatzes keine Güter verteilen konnten. Grund war, dass die Lebensmittel für den Zoll analysiert werden mussten.

Mit viel Spass!
Am späten Abend kommt dann die Gruppe an, und es gibt zur Begrüßung noch einen kleinen Snack.
Die nächsten Tage sind mit eine vielfältigen Programm gefüllt: Ein Schwerpunkt ist es, die Jungs im Jugendhaus zu fordern und zu fördern. So basteln wir Styroporflieger mit ihnen, biegen Kreuze, Brillen und Mercedessterne aus Schweißdraht, spielen Fußball, spannen die Slack-line. Abends und nachmittags treffen wir uns im Saal, singen zusammen, schauen uns die Geschichte Gottes mit uns an, machen Gruppenspiele und haben viel Spaß. Silvester erleben wir im Zentrum von Ushgorod gemeinsam mit hunderten Menschen und bestaunen das dieses Jahr deutlich kleinere Feuerwerk. Der Präsident hat dazu aufgerufen. Wenn im Osten des Landes Krieg ist soll man im Westen nicht ausgelassen feiern.
Wir machen einen großen Spaziergang durch die Stadt, besichtigen die Kathedrale, die Burg und den Bahnhof. Doch für uns Ranger ist der geheimnisvolle See der Höhepunkt. Hinter dem Jugendhaus ist ein großer Granitsteinbruch. In Sowjetzeiten, während dort noch Steine abgebaut wurden, lief die Grube über Nacht mit Wasser voll. Man konnte nur wenige Fahrzeuge retten, die meisten Gerätschaften liegen noch im See. Wilde Theorien entstehen: Da der See nicht zugefroren ist, der Fluss Usch jedoch schon, mutmaßen wir, ob da unten nicht ein atomgetriebener sowjetischer Bagger noch immer arbeitet… J Nicht weit vom Jugendhaus entdecken wir noch einen geschändeten jüdischen Friedhof, was uns traurig macht.
In den nächsten Tagen haben wir auch einige Einsätze außerhalb des Jugendhauses. Zuerst in einer kleinen Schule für Zigeuner. Die Kinder haben eigentlich Ferien, aber wegen uns sind sie doch gekommen. Und so machen wir ein kleines Programm mit Liedern und einem Anspiel. Auch die Kinder singen uns ein paar schöne Lieder vor. Dann gibt es endlich die ersehnten Geschenkpakete. Die Augen strahlen und uns werden gleich Süßigkeiten aus den Paketen angeboten. Für uns ist das sehr bewegend. Da bekommt so ein kleines Kind evtl. zum ersten Mal in seinem Leben so ein Geschenk, und was passiert? Es teilt ganz freigiebig mit uns!
Am nächsten Tag besuchen wir ein Altenheim. Hier sind nur Menschen, die keinerlei Angehörige haben. Und so berichtet uns der Direktor, dass wir seit Bestehen des Heimes der erste Besuch sind, den die armen alten Menschen bekommen. Wir gehen von Zimmer zu Zimmer, singen ein paar Choräle und Weihnachtslieder. Einige der alten Menschen haben Tränen in den Augen, einige von uns auch. Wir haben Tüten mit Obst vorbereitet und es ist rührend zu sehen, wie sich die Menschen über das Obst, aber ich glaube noch viel mehr über unseren Besuch, freuen.
Am letzten Tag haben wir noch einen Einsatz in einem Heim für körperlich und geistig behinderte Kinder. In den sowjetischen Zeiten wurden solche Heime weit ab in der Pampa gebaut. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Und so hatten wir eine beschwerliche Fahrt mit reichlich Schnee dort hin. In dem Heim sind ungefähr 120 Kinder untergebracht. Beim Betreten des Heims schlägt uns ein widerlicher Geruch entgegen, doch wir gewöhnen und schnell dran. Von Zimmer zu Zimmer gehen wir. Meist singen wir ein Lied, was die Kinder völlig begeistert. Sie tanzen mit uns, klatschen, schreien, oder wie auch immer sie ihre Freude ausdrücken können. Danach gibt es Obst und Saft. Viele Kinder müssen wir füttern, aber man sieht ihnen an, dass es ihnen gut schmeckt und es für sie etwas Besonderes ist. Die Kinder genießen es, wenn wir sie auf den Arm nehmen, mit ihnen Spaß haben. Andere Kinder, die im Bett liegen müssen, sind total glücklich, wenn man sie eine Weile über den Kopf oder Arm streichelt. Es ist so einfach, die Kinder zum Lächeln zu bringen.

Beim Essen müssen wir helfen
Leider sind in dem Heim viel zu wenige Mitarbeiter. Doch diese geben ihr Bestes und sind sehr bemüht um die Kinder. Aber wenn eine Mitarbeiterin 20 Kinder betreut, wieviel Zeit bleibt dann zur Förderung von einem einzelnen? Bis allein alle Kinder gewickelt sind…
So viel Leid. Auf der anderen Seite ist es so einfach, Freude zu bringen.
Wieder einmal merke ich, dass die praktische Hilfe durch die Hilfsgüter total wichtig und nötig ist. Aber auf der anderen Seite bewirken die Hilfseinsätze noch viel mehr: Die Menschen fühlen und sehen, dass sie nicht vergessen sind. Sie merken, dass in dem fernen und reichen Deutschland Menschen sind, die an sie denken und ihnen Hilfe schicken. Und dieses Wissen ist unbezahlbar. Hiermit richte ich ein ganz herzliches Dankeschön an jeden Spender, der diesen Transport ermöglichte, aus.
Am nächsten Morgen geht es nach gefüllten Tagen wieder auf die Heimreise. Die Straßen sind inzwischen alle wieder schneefrei, uns so kommt die Gruppe wohlbehalten am Abend wieder zu Hause an, David und ich mit dem Lkw am Abend des nächsten Tages.
Es war ein guter Einsatz, der unseren Horizont erweitert hat. Wir sind dankbar für die Bewahrung und dass wir alle wieder gesund nach Hause kamen. Uns hat es bewegt, wie einfach es ist, anderen Menschen ein Freude zu machen und zu sehen, wie wichtig die Hilfsgüter von DHHN für die Menschen in der Ukraine sind, besonders in der schweren Zeit, die sie gerade durchstehen müssen.
Dies sollte der längste Rumänientransport des Jahres werden, insgesamt lagen 9 Abladestellen bzw. Besuche vor mir.
Auf freien Straßen kam ich gut voran. Deutschland, Österreich, ohne besondere Vorkommnisse. In Ungarn war ich sehr dankbar, dass wir nun als Hilfstransport von der teuren Maut befreit sind und so konnte ich den direkten, früher teureren Weg nach Arad nehmen. An der Grenze was einiges los, ich konnte jedoch die Warteschlange „beschleunigt passieren“ und erreichte spät abends die erste Abladestelle in Arad. Hier deponierten wir rund 450 Geschenkpakete für den Einsatz der Royal Rangers nach Weihnachten. Nach einer guten Nacht hinter einer Agip-Tankstelle war die nächste Station unsere Suppenküche in Calan, hier wurde der Anhänger deutlich leerer, Hilfsgüter aller Art füllten das Lager. Wie mir im Nachhinein berichtet wurde brachten sie einen Teil der Hilfsgüter in den Süden Rumäniens und sogar zu den Flüchtlingscamps für Opfer der IS in Bulgarien. Am Nachmittag war die nächste Station unser Verteilzentrum in Vurpar. Hier war die Freude über den Nachschub wieder groß. Die Hilfsgüter werden im Ort an arme Familien, aber auch über das Gemeindenetzwerk im ganzen Land an bedürftige Menschen weitergegeben. Gerade jetzt im Winter ist die Not so groß!

Abladen in Arad
Weiter gings in den Süden, Richtung Bukarest. Auch hier lud ich 450 Pakete für einen Einsatz im Rahmen der Aktion Strahlende Augen ab. Von der Straße bis zum Lagerraum 800m. Deshalb luden wir die Pakete vom Lkw in ein Auto, dieses fuhr hinter und dort luden wir das Auto wieder aus. Nach 7 Fahrten war es geschafft. Nun führte mich die Route wieder gen Norden und ich war froh, als ich einen bewachten Parkplatz fand.

Herrliche Karpaten
Am nächsten Morgen ging es wieder über die verschneiten Karpaten zu den Fackelträgern, hier brachte ich verschiedenen Missionarsfamilien ihre Weihnachtsgeschenke von der Verwandtschaft aus Deutschland. Nächste Halt dann ein Treffen mit Bernd, dem Leiter der Boaz-Farm. Wir hatten ein gutes Gespräch, konnten schon erste Projekte für den Sommereinsatz besprechen und er freute sich sehr über die Geschenke seiner Verwandtschaft, aber auch über die Ersatzteile, die ich für ihn dabei hatte.
An einem nebligen Rasthof traf ich mich dann mit George und Luminitza vom Kinderheim Bazna, ihren Kombi packten wir bis oben hin voll mit Hilfsgütern. Sie freuten sich sehr über die Kleidung, das Waschmittel und die Geschenkpakete. Spät am Abend kam ich dann noch nach Cluj, hier verließen wieder 450 Geschenkpakete für einen Einsatz nach Weihnachten meinen Lkw. Ich war dann froh, als ich kurz nach dem Abladen im dichtesten Nebel noch ein Übernachtungsplatz an einer OMV Tankstelle fand. Leider war die Küche schon geschlossen.

Paket für Paket füllt sich das Lager mit Hilfsgütern
Am nächsten Tag kam ich dann gegen Mittag zur letzten Abladestation nach Baja Mare, ganz im Norden, fast an der ukrainischen Grenze. Auch hier kam dann nach Weihnachten ein Einsatz der Royal Rangers her. Die Helfer waren sehr froh über die Hilfsgüter und Geschenkpakete, und ich freute mich, dass der Lkw endlich leer war und ich mich auf die lange Rückreise machen konnte.
Zwei Tage später kam ich wohlbehalten wieder daheim an.
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Am 29.12. hatten wir es endlich geschafft: Der Lkw war durch den Zoll und am späten Nachmittag konnten wir die Hilfsgüter im Lager vom Jugendhaus abladen. Leider sind die Papiere beim Zoll noch nicht ganz fertig, so dass das Lager von dem Zöllner, der während des Abladens dabei war und alles kontrolliert hatte, verplombt wurde. So können wir nun leider noch nicht an die Hilfsgüter.
Spät am Abend kam dann die Gruppe wohlbehalten an. Am nächsten Tag lernten wir die Jungs im Jugendhaus kennen und hatten gute Zeiten mit ihnen. Mitten im Zentrum von Uschgorod gab es dann zum Jahreswechsel ein Feuerwerk bei eisiger Kälte.
Gestern machten wir eine Wanderung durch die Stadt, besichtigten den innerhalb eines Tages überfluteten Steinbruch, einen leider zerstörten jüdischen Friedhof, den schicken Bahnhof und noch vieles mehr in Uschgorod. Heute geht es dann mit den ersten Einsätzen ausserhalb des Jugendhauses los…

Silvesterfeier im Jugendhaus